Danksagung eines Affen im Zoo an die Zuschauer

Aktualisiert am 27. Januar 2023 von Ömer Bekar

Danksagung eines Affen im ZooIm Frühjahr 2016 gab es in einem Zoo in den USA den Fall, dass ein Junge in den Gorillakäfig gefallen ist. Weil der Junge in dem Gehege in akuter Lebensgefahr war, haben Zoowärter den Affen sofort erschossen. Unter menschlichen Aspekten nachvollziehbar, und dennoch bleibt ein schaler Beigeschmack. Wir halten Tiere, die in die freie Wildbahn gehören, gefangen, und wir beenden ihr Leben, wenn Gefahr im Verzug ist. Oder wenn sie nicht gesund sind und damit anfangen, Krankheiten unter ihren Artgenossen im Zoo zu verbreiten. Oder wenn sie alt und träge sind und kein Magnet mehr für die Besucher, die schließlich das Geld in den Zoo tragen. Und manchmal, wenn wir vor den Gehegen mit den Primaten stehen, ob Schimpansen, Orang-Utans oder Gorillas, manchmal meinen wir, in den Ausdrücken in ihren Gesichtern Traurigkeit und Verzweiflung herauslesen zu können.

Immerhin gibt es ja auch Studien, die belegen, dass Primaten in den Zoos nicht gerade das sind, was man glückliche Tiere nennen würde. Manche von ihnen werden unter diesen Bedingungen aggressiv und töten sogar ihre Artgenossen oder den eigenen Nachwuchs. Dann werden sie entweder getötet oder verbringen den traurigen Rest ihres Daseins in Einzelhaft, also allein in einem Gehege. Dabei müssen sie Tag für Tag mindestens hunderte von Besuchern über sich ergehen lassen, von denen sogar einige an die Scheiben klopfen oder die Tiere mit mitgebrachtem Essen füttern – was natürlich verboten ist, weil diese Nahrung für die Tiere oft schädlich ist. Doch ein Affe weiß natürlich nichts davon, dass ihm etwas schadet, wenn es doch so lecker schmeckt…

►Danksagung eines Affen im Zoo an die Zuschauer

Liebe Besucher,

jeden Tag bin ich der glücklichste Affe der Welt. Warum? Nun, weil ihr alle mich dazu macht. Ich bin so froh, jeden Tag Hunderte oder sogar Tausende von euch an meinem Gehege stehen zu sehen. Ich bin dankbar, dass ihr mir beim Essen zuseht, beim Schlafen oder wie ich meine Notdurft verrichte. Ich könnte mir gar nichts Schöneres vorstellen, als ein Leben lang eingesperrt zu sein, mit ein paar von meinen Artgenossen, denen es genauso geht wie mir und in deren Namen in diese Zeilen hier ebenfalls aufschreibe.

Besonders schön sind die Momente, wenn wir uns im Innenraum unseres Geheges aufhalten müssen, weil ihr, liebe Besucher, so schön an die Scheibe klopfen könnt und dabei scheinbar jede Menge Spaß habt. Nur wir, wir haben leider keinen Spaß dabei, es macht uns aggressiv, aber genau das ist es offenbar, was ihr sehen möchtet. Und wenn wir uns im Freigehege aufhalten, dann finden wir es ganz prima, dass ihr uns altes Brot und Süßigkeiten hineinwerft und wir Magenschmerzen und andere Krankheiten bekommen.

Danke, liebe Besucher, dass ihr uns den ganzen Tag anstarrt und mit dem Finger auf uns zeigt und uns auslacht, wenn wir mal aufs Klo müssen. Es ist wunderbar, das vor all euren Augenpaaren tun zu dürfen. Besonders schön ist es auch, wenn Fütterungszeit ist. Da drängt ihr euch noch dichter als sonst um unseren Käfig, um uns beim Essen zuzusehen. Habt ihr schon mal erlebt, wie es ist, wenn man nur in Ruhe essen möchte, einem dabei aber ganze Hundertschaften zusehen? Das können wir euch nur empfehlen, ihr müsst das dringend mal ausprobieren.

Und danke, liebe Besucher, dass ihr uns durch euer Weggehen daran erinnert, dass es außerhalb unseres Geheges auch noch eine Welt gibt. Eine Welt, die wir niemals kennenlernen dürfen. Wenn wir Glück haben, werden wir vielleicht eines Tages mal in einen anderen Zoo verlegt, einfach damit dort auch Affen unserer Art sind. Oder sie schicken uns in einen anderen Zoo, damit wir uns mit unseren Artgenossen dort paaren und uns fortpflanzen. Unsere Kinder werden natürlich ebenfalls niemals die Welt außerhalb eines Zoos kennenlernen. Dafür möchten wir nicht nur euch Besuchern und Gästen, sondern allen Menschen herzlich danken.

Eigentlich haben wir nur eine Bitte: Wenn ihr uns schon in euren Zoos halten müsst, dann sorgt bitte dafür, dass das angemessen ist. Wir sprechen für alle Affen auf der Welt, die ihren eigentlichen Lebensraum niemals kennenlernen werden.

Danke, liebe Besucher, euer [Name]

Ironischer Dank an die Zuschauer

Die nachfolgende Danksagung eines Affen im Zoo an die Zuschauer ist daher zu verstehen als Appell an uns Menschen, dass wir dafür sorgen, dass die Tiere im Zoo entsprechend ihrer Art gerecht gehalten werden, soweit das geht. Es sollte jedenfalls alles dafür getan werden. Denn es gibt auch Arten, die nur noch existieren, weil es Zoos gibt, das sollte man bei aller Kritik an Zootierhaltung auch nicht vergessen – in freier Wildbahn sind sie nämlich ausgestorben.

Ironischer Dank an die Zuschauer

Dass wir bei diesem Thema oft gleich an Affen bzw. Menschenaffen denken, ist völlig normal. Denn in ihnen sehen wir natürlich auch ein Stück weit uns selbst, nicht zuletzt, weil wir einen gemeinsamen Stammbaum mit den Primaten haben und sie uns genetisch sehr, sehr ähnlich sind: Menschen und Schimpansen weichen, was das Genom angeht, um nur 1,37 Prozent voneinander ab, Menschen und Gorillas nur um 1,75 Prozent. Ganz erstaunlich ist, dass sich Menschen und Schimpansen sowie Menschen und Gorillas stärker ähneln als Schimpansen und Gorillas, hier beträgt die Abweichung 1,81 Prozent.

Affen im Zoo

Doch zurück zu den Affen im Zoo – es wird Zeit für eine an uns Menschen gerichtete Danksagung. Diese soll zu Diskussionen anregen und auch ein wenig provozieren.