Danksagung an unsere Politiker für eine Reich und Arm Gesellschaft

Aktualisiert am 27. Januar 2023 von Ömer Bekar

Danksagung an unsere PolitikerSeit Jahren und Jahrzehnten lesen und hören wir davon, dass die Schere zwischen Reich und Arm in unserer Gesellschaft immer weiter aufgeht. Daran haben viele Menschen eine gewisse Schuld, vor allem die, die schon genügend Reichtum besitzen. Denn in erster Linie sind es sie, die immer mehr wollen. Doch wir können es leider nicht verschweigen: An dieser Stelle kommt nämlich auch die Politik ins Spiel. Denn seitens der Politik wird viel zu wenig getan, um zu verhindern, dass die Schere immer weiter aufgeht. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass sich die Parteien und die Regierungen nicht trauen, dem ungehemmten Wachstum einen Riegel vorzuschieben.

Von diesem Wachstum nämlich profitieren fast immer nur jene, die sowieso schon wohlhabend sind. Die Umverteilung funktioniert nicht. Wer hat, möchte möglichst nichts abgeben, das war schon immer so und wird wohl auch immer so bleiben. Aber weswegen hat die Politik Schuld? Zunächst einmal: natürlich hat sie nicht allein Schuld, es gehören immer mehrere dazu. Aber die Rahmenbedingungen dazu, die werden eben von der Politik vorgegeben. Wobei auch der Begriff „die Politik“ oder „die Politiker“ etwas weit gefasst ist, denn die Rahmenbedingungen werden an vielen Stellen geschaffen. Eine Stelle ist natürlich Berlin, wo Bundestag und Bundesrat Gesetze beschließen, die Einfluss auch auf wachsende Armut in der Gesellschaft haben.

►Danksagung an unsere Politiker für eine Reich und Arm Gesellschaft

Liebe Politik, liebe Politiker, liebe Regierungen der letzten Jahre,

es ist an der Zeit, euch einmal danke zu sagen. Danke dafür, dass ihr seit Generationen mehr oder weniger tatenlos zuseht, wie die einen in der Gesellschaft immer reicher und die anderen immer ärmer werden. Wir werfen euch ja gar nicht vor, euch selbst bereichern zu wollen – wenn ihr das in der Politik sucht, seid ihr eh schief gewickelt, da wärt ihr lieber in die freie Wirtschaft gegangen. In genau jene freie Wirtschaft, die ihr heute so protegiert und die euch zu verdanken hat, dass es sehr wenig gibt, was man als Korrektiv bezeichnen könnte.

Dass euch die Bankenrettung in den letzten Jahren immer wichtiger gewesen ist, als der sprichwörtliche „kleine Mann auf der Straße“, könnt ihr nicht ernsthaft bestreiten. Wenn man einige von euch reden hört, dann fallen oft nur Worte wie „Wachstum“ und dass Wachstum auch Beschäftigung und Wohlstand bringe, wenn es – also das Wachstum – nur stark genug ausfalle. Aber wie wäre es denn stattdessen, mal die Unternehmen an die Kandare zu nehmen und Gesetze zu machen, die dafür sorgen, dass Betriebe ausbilden? Dass sie Steuern zahlen, wenn sie Gewinne erwirtschaften, so wie wir das auch müssen? Dass sie ab einer bestimmten Größe für die Kinderbetreuung sorgen, damit Mama und Papa arbeiten gehen können, damit es der Familie gut geht?

Das und mehr, liebe Politiker, habt ihr in den vergangenen Jahren versäumt. In der sogenannten Euro-Krise habt ihr über jeden Cent debattiert, der nach Griechenland gegangen ist, während die Milliarden locker saßen, wenn wieder irgendwo eine Bank gerettet werden musste. Diese Art der Politik ist es, die Frust fördert und die dafür sorgt, dass die Schere zwischen Arm und reich so weit geöffnet ist wie nie. Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Danke für nichts.

Dein [Name]

Vieles kommt aus Brüssel

Aber auch in Brüssel werden Grundlagen getroffen, die unser aller Leben unmittelbar beeinflussen. Inzwischen ist es sogar so, dass die Mehrzahl der Gesetze, die unser Leben bestimmen, von der Europäischen Union kommen – und nicht mehr von den nationalen Institutionen, die die Legislative bilden (also Bundestag, Bundesrat und die Parlamente in den einzelnen Bundesländern). Doch es ist eben, wie es ist, und die Rahmenbedingungen werden, wie oben schon beschrieben, von der Politik bestimmt. Dadurch ist es möglich, dass volle Taschen noch voller werden und dass nichts in leere Taschen wandert, wo eigentlich etwas hinein gehört.

Vieles kommt aus BrüsselSo hat die Politik bzw. haben die Politiker schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts dafür gesorgt, dass viele Menschen zum Beispiel lieber an der Börse spekulieren, um sich Geld für das Alter anzuhäufen. Und zwar aus dem Grund, weil die Rente nämlich schon damals gar nicht so sicher war, wie uns der damalige Minister Blüm immer versprochen hat. (Ansonsten wollen wir, was die Namen der Politiker angeht, lieber weiter anonym bleiben, aber Blüm darf man sicher beim Namen nennen – das hat er sich redlich verdient.) Also war es seitens der Politik ganz offensichtlich gewollt, dass die Menschen nicht darauf setzen, auf althergebrachte Weise ihr Geld zur Bank zu bringen oder ganz einfach fürs Alter anzulegen, sondern es an die Börse zu tragen. Das ist bekanntlich gehörig schiefgegangen, weil die Blase der New Economy dann ziemlich rasch und mit einem lauten Knall geplatzt ist.

Eine Danksagung aus Frust

Es gibt nicht wenige Menschen, die damals sehr viel verloren haben, weil sie den Versprechungen Glauben geschenkt haben. Da (und aus anderen Gründen) könnte einem doch die Idee kommen, den Politikern einmal ordentlich danke zu sagen – danke dafür, dass die Gesellschaft immer weiter in einen reichen und einen armen Teil zerfällt und nicht besonders viel getan wird, um diese Entwicklung zu stoppen. Und das, obwohl sie schon seit Jahren so läuft. Immer wieder kann man Gutachten von Experten lesen, die besagen, dass es sehr wohl Stellschrauben gibt, die sich drehen ließen, um das Problem zumindest halbwegs in den Griff zu bekommen. Aber das Interesse, das auch zu tun, ist anscheinend nicht besonders ausgeprägt. Deswegen dürfen sie die Verantwortlichen jetzt auch mal ein paar schärfere Töne anhören, die aus dem Volk kommen.